In weiten Teilen von Deutschland herrscht akuter Fachkräftemangel in der Pflege. Viele Einrichtungen – sowohl Krankenhäuser, Pflegeheime als auch ambulante Pflegedienste – suchen dringend nach examinierten Pflegekräften, um die steigende Zahl der pflegebedürftigen Patienten versorgen zu können.

Die Gründe dafür sind vielfältig:

  • Die „Baby-Boomer“-Generation geht in den Ruhestand.
  • Die geringen Geburtenzahlen reichen nicht, um den Arbeitsmarkt wieder aufzufüllen.
  • Die längere Lebenserwartung der Bevölkerung geht einher mit einer steigenden Anzahl Pflegebedürftiger.
  • Die höhere Mobilität der jungen Generation führt dazu, dass Familien in weiter Entfernung leben und eine generationsübergreifende Versorgung nicht mehr gegeben ist.
  • Geringe Anerkennung der sowohl körperlichen als auch psychischen Belastung im Pflegeberuf, senkt die Attraktivität, diesen zu ergreifen.

Um den Bedarf an examinierten Fachkräften zu bedienen, suchen viele deutsche Gesundheitsunternehmen Pflegekräfte zunehmend auch im europäischen Ausland – speziell in den osteuropäischen Ländern. Der Grund dafür ist das relativ hohe Bildungsniveau der Menschen aus den acht neuen EU-Mitgliedstaaten (EU-8) im Osten, im Vergleich zu anderen EU-Staaten. Ein weiterer Grund liegt in den geringeren Lebenshaltungskosten der Familien. Ein einzelner Angehöriger mit dem deutschen Gehalt sichert oft den Lebensunterhalt einer ganze Familie in der osteuropäischen Heimat.

Durch die neue Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU-Staaten darf jeder EU-Bürger (außer Bulgarien und Rumänien bis voraussichtlich Ende 2012) in jedem anderen Land der Europäischen Union berufstätig sein. Die Vorgehensweise, nach Arbeitskräften auch außerhalb von Deutschland zu suchen, ist daher völlig legal. Seit der ersten Stufe der Arbeitnehmerfreizügigkeit im April 2011 sind 94.000 zusätzliche Stellen in Deutschland mit Arbeitskräften aus den EU-Ländern besetzt worden. Davon sind etwas mehr als 90% sozialversicherungspflichtige Vollzeitstellen.

Auf das gesamte Gesundheitswesen entfielen jedoch nur ca. 5.500 Stellen. Das verdeutlicht, dass der ehemals befürchtete „Ansturm von Arbeitskräften“ aus Osteuropa bisher ausgeblieben ist. Die Arbeitsvermittlung osteuropäischer Pflegekräfte scheint jedoch nicht erschöpft, betrachtet man die vielzähligen Vermittlungsagenturen, die sich auf genau dieses Klientel spezialisiert haben.
Allerdings ergeben sich bei der Anwerbung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der gesamten EU ein paar besondere Fragestellungen, welche Berücksichtigung finden sollten.

An erster Stelle steht die sprachliche Barriere. Es ist nur selten davon auszugehen, dass eine fehlende Verständigungsmöglichkeit ausländischer Angestellte zu einer hohen Zufriedenheit der Patienten führt. Es sind also Sprach- und Integrationskurse nötig, um das neu angeworbene Personal mit den deutschen Gesetzen, Gewohnheiten und natürlich der deutschen Sprache vertraut zu machen.
Für Pflegekräfte sind zwar – anders als bei ausländischen Ärzten, die in Deutschland arbeiten wollen – keine Sprachtests vorgeschrieben, aber die Grundlagen der deutschen Sprache sollten trainiert werden, um den soziopsychologischen und kommunikative Bedürfnissen der Patienten gerecht werden zu können.

Als Nächstes muss die Frage der Anerkennung der ausländischen Ausbildung überprüft werden. Es dürfte für viele qualifizierte Arbeitnehmer sehr unbefriedigend sein, mit einer ausländischen Ausbildung nach Deutschland zu kommen und hier, mangels Anerkennung durch die Behörden, nur Hilfstätigkeiten verrichten zu dürfen.

Ein weiterer Aspekt ist die Frage, ob deutsche Unternehmen mit den Abwerbungen von Fachkräften anderen Ländern schaden. Denn der demographische Wandel ist in fast allen Ländern der EU zu spüren und besonders in der Pflege fehlen in diesen Ländern Fachkräfte. Abwerbungen in der EU lösen das Problem des Fachkräftemangels also nicht, sondern verlagern es aus Deutschland auf andere Länder.

Es soll hier nicht der Anschein erweckt werden, dass ausländische Arbeitskräfte in Deutschland nicht erwünscht seien. Die EU ist eine gute und bunte Mischung der verschiedensten Menschen mit viel Potential. Das ist nur ein Grund für ein vereintes Europa. Dennoch sollte die Anwerbung von Fachkräften in anderen EU-Ländern keine Dauerlösung werden.

Stattdessen sollte es das Ziel sein, das zunehmende Problem des steigenden Bedarfes an Pflegekräften durch andere Maßnahmen zu lösen. Dazu sind sowohl die Politiker als auch die Unternehmen der Gesundheitswirtschaft, inklusive der Kranken- und Pflegekassen, zu gleichen Teilen aufgefordert. Mehr junge Menschen müssen für die Berufsausbildungen in Pflegeberufen begeistert werden. Ein erster Schritt dafür ist, die Leistungen von Pflegekräften sowohl verbal anzuerkennen als auch monetär besser zu honorieren.

Quellen:

  • http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2011/04/2011-04-20-freizuegigkeit-fragen-und-antworten.html
  • http://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Statistische-Analysen/Statistische-Sonderberichte/Generische-Publikationen/Auswirkungen-der-uneingeschraenkten-Arbeitnehmerfreizuegigkeit-auf-den-Arbeitsmarkt.pdf
  • http://www.tagesschau.de/wirtschaft/freizuegigkeit100.html
  • http://www.linara.de/pflegekraefte-aus-osteuropa-legal-oder-illegal.html
  • http://www.test.de/Haeusliche-Pflege-Hilfe-aus-Osteuropa-jetzt-legal-4225401-4225403/
  • http://www.medizinpunkt.com/2011/pflegekrafte-aus-osteuropa-%E2%80%93-was-ist-legal-und-welche-moglichkeiten-hat-man.html
  • http://www.arbeitsagentur.de/nn_25294/Navigation/zentral/Buerger/Arbeit/Vermittlung/Haushaltshilfen/Haushaltshilfen-Nav.html
  • http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/Veroeffentlichungen/Merkblatt-Sammlung/Merkblatt-zur-Vermittlung-in-Haushalte-mit-Pflegebeduerftigen.pdf

Autor: Sindy Meding-Rösner – pm pflegemarkt.com GmbH

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